Dienstag, 26. Dezember 2017

Global #50: Jetzt mal Klartext - Indien ist kein einfaches Radreiseland

Zentralindien hat einige schöne Ecken wie z.B. den weitläufigen Pench Nationalpark im Bundesstaat Madhya Pradesh zu bieten. Aber die letzten Tage war mir gar nicht mehr danach, da ich mir eine heftige Magendarminfektion eingefangen habe. Bei der katastrophalen Hygiene ist es in Indien nur eine Frage der Zeit bis man durch einen Händedruck, verunreinigtes Essen oder Wasser Kolibakterien oder andere Darmerreger aufnimmt.
Als Radfahrer ist man dann besonders hart betroffen, denn wenn die Verdauung nicht funktioniert können Kreislauf und Körper keine Leistung  liefern. Zudem reagiert der Körper entsprechend und durch den eingehenden Durchfall verliert man Unmengen an Flüssigkeit, welche man beim Radfahren ohnehin ausschwitzt. In besonders schweren Fällen wie bei mir fühlt man sich auch kraftlos, schlapp und appetitlos, wodurch die Tage zur Tortur werden.

Obwohl ich bisher schon auf früheren Reisen in der Türkei und Marokko Magendarminfektionen ausstehen musste sind hier in Indien die Rahmenbedingungen wesentlich härter. Denn überhaupt noch irgendwelche magenverträgliche Kost zu finden gestaltet sich als außergewöhnlich schwierig. Abseits der Touristenspots hat man häufig nur die Wahl zwischen Samosa (Kartoffelfüllung im Teigmantel) und anderen fettig frittierten Chips. Und in den wenigen Restaurants ist die Auswahl auch nicht vielseitiger und beschränkt sich meist auf Dal mit Reis oder Thali, was generell immer zu scharf gewürzt ist.

Ein weiterer Stressfaktor sind die Inder selber. Die meisten haben noch nie einen Ausländer gesehen und sind voll aus dem Häuschen wenn sie ein seltenes Exemplar - und dann auch noch so einen exotischen Radfahrer - treffen. Da wird dann schon beim Vorbeifahren auf dem Motorrad das Handy gezogen, um einen dann unmittelbar zu bitten für ein Selfie mal kurz anzuhalten. Und das passiert mir nicht hin und wieder, sondern täglich dutzende Male. Das fühlt sich dann irgendwann so an, als ob man permanent von einem Schwarm Fliegen umgeben ist. Anfangs konnte ich darüber noch lächeln, aber mittlerweile ist mir das Lachen aufgrund meiner kränklichen Verfassung vergangen. Ich bin doch keine rollende Freakshow! Der Höhepunkt war kürzlich, als ich in der Stadt Nagpur von einem Motorradfahrer während der Fahrt in ein freundliches Gespräch verwickelt wurde. Obwohl ich ihm anfangs erklärte, dass ich bitte kein Selfie knipsen möchte, habe ich mich letztendlich doch überreden lassen. Als wir dann am Straßenrand stoppten standen sofort drei andere indische Motorradfahrer mit ausgestrecktem Smartphone hinter mir. An vielen Tagen fühle ich mich als Radfahrer wie ein Stück Vieh, welches quer durch das ganze Land getrieben wird.

Der abschliesende Ko Faktor auf so einer Indienradreise ist der höllische Verkehr. Es wird dabei nicht nur ständig gedrängelt und einem die Vorfahrt geschnitten. Nein, das schlimmste ist das permanente Gehupe mit dem jeder versucht die Oberhand im heillosen Chaos für sich zu beanspruchen. Die meisten Lkw's und TukTuks haben sogar extra Hupanlagen mit denen sie ganze Melodien dudeln können. Auf einer kleinen Dorfstraße kann somit schnell mehr Lärm als auf einer deutschen dreispurigen Autobahn entstehen.

Wenn man dann noch überall das Elend und den Dreck sieht, verschmutzte Wälder und Flüsse, verwahrloste Kinder und Familien in heruntergekommenen Slums, die zwischen Abwässern und Müllbergen in Wellblech- und Strohhütten hausen kann man schnell an seine emotionalen Grenzen stoßen.

Ich empfehle daher niemanden eine Radreise durch Indien, sofern er keine enorme Herausforderung oder sonstige tiefgründige Erkenntnisse sucht. Für mich ist jetzt schon sicher, dass der südasiatische Kontinent zukünftig ein schwarzer Fleck bei meiner Tourenplanung bleiben wird.

In diesem Sinne beende ich diesen Beitrag mit der alten Packpacker-Weisheit:

I.N.D.I.A.  -  I Never Do It Again (zu deutsch: "Ich mache es nie wieder")

Fünf Minuten vor dem Mobilfunkshop und schon werde ich umlagert. 

Szenen wie diese vermitteln eigentlich ein harmonisches Bild von Indien...

...aber die ständige Neugierde der Inder kann schnell anstrengend werden.

Und natürlich wird auch ohne zu fragen alles angefasst und die Gangschaltung verstellt. 

Einer der vielen Motorradfahrer, welche mich täglich zum Selfie anhalten möchten. 

Die Landschaft in Madhya Pradesh - dem Herzen Indiens - ist atemberaubend schön. Aber leider habe ich dafür kaum noch Ruhe. 

Vom Apotheker bekomme ich eine Elektrolytlösung und Ofloxacin & Ornidazole Tabletten gegen meine Magendarminfektion.

Montag, 18. Dezember 2017

Global #49: Besichtigung des Grabmales Ibrahim Rauza, Einblicke in indische Lehrpläne und alltägliche Selfie- und Popkultur

Um so tiefer ich in den Bundesstaat Maharashtra vordringe, desto ländlicher wandelt sich das Umland. Zunächst reise ich über eine entlegene dünnbesiedelte Hochebene bis Gokak und folge dann wieder dem Flachland entlang endloser Zuckerrohrplantagen und Reisfelder. Die Ruhe wird nur von den vorbeifahrenden bunt geschmückten Traktoren mit ihren überdimensionalen Lautsprecherboxen, aus denen pausenlos indische Popmusik a la Bollywood und Techno dröhnt, gestört.

In den Morgenstunden wird es bei Zeiten lebhaft, sodass schon kurz nach 7 Uhr viele Menschen unterwegs sind. Am Straßenrand hocken Junge und Alte, Männer wie Frauen und verrichten ganz ungeniert ihre kleine und große Notdurft. Obwohl ich mittlerweile wieder alleine unterwegs bin mangelt es mir nicht an Gesellschaft. Die vorbeifahrenden Motorradfahrer verwickeln mich häufig in Gespräche oder wollen ein Selfie mit mir machen und bei kurzen Stopps am Straßenrand versammelt sich jedes Mal eine Graupe von Menschen um mich, was mich aber nach fast zwei Monaten Indienreise gar nicht mehr stört.

An einem Nachmittag halte ich an einem Saftstand und möchte mir einen frisch gepressten Ananassaft gönnen. Zwei Männer und eine Frau vor dem Stand stellen sich als Lehrer einer örtlichen Schule vor und nachdem ich ihnen erzähle, dass ich aus Deutschland komme und eine Radreise um die Welt unternehme,  erzählen sie mir angeregt, dass sie mit ihren Schülern das Tagebuch der Anne-Frank behandeln. Während man in vielen arabischen Ländern und im Iran häufig ein positives und verfälschtes Bild vom deutschen Nationalsozialismus hat, bin ich erfreut, dass die Gräueltaten der Nazis in Indien kritisch betrachtet werden.


Als ich in der Stadt Vijayapura ankomme fällt mir das gewaltige Bauwerk "Ibrahim Rauza" ins Auge. Das imposante Grabmal wurde von der Adil Shahi Dynastie Anfang des 17. Jahrhunderts erbaut. Man vermutet übrigens, dass die Architektur Inspiration für das weltberühmte Taj Mahal in Agra war. Ich nutze die Ruhe am Morgen und erstehe ein Ticket für 200 Rupie um mir die beeindruckende Anlage anzuschauen. Anschließend erledige ich noch kleinere Einkäufe auf dem Markt und lasse mir ein Masala Dosa (Fladenbrot mit Kartoffelfüllung) in einem Straßenbistro schmecken. Das ebenfalls sehr sehenswerte Mausoleum "Gol Gumbaz" von Mohammed Adil Shah besichtige ich leider nicht mehr, da mich Lärm, Streß und Aufmerksamkeit der Großstadt allmählich zermürben. Zur Abwechslung geht es dann am Nachmittag über ländliche Straßen durch nichtssagende Dörfer wie Jambagi oder Tamba.

Hochebene südlich der Stadt Gokak 

Die Bäume spenden angenehmen kühlen Schatten. 

Selfie mit den Lehrern, welche mich auf ein Glas Ananassaft einladen.

Das Grabmal Ibrahim Rauza.

Masala Dosa zum Frühstück 

Die Straßen sind selten so hervorragend ausgebaut wie hier.

Noch unreife Papaya's

Für ein Foto darf ich mich sogar mal kurz an das Steuer setzen ;)

Donnerstag, 14. Dezember 2017

Global #48: Abschied von Nico / Vorbei am Tilari Reservoir nach Maharashtra

Die letzten 14 Tage in Goa haben wir ausreichend Erholung von den körperlichen Strapazen der letzten Monate gefunden. An den weitläufigen Sandstränden haben wir unter Palmen residiert und uns eine  willkommene Abkühlung im blauen Wasser des Arabischen Meeres gegönnt. Zur Abwechslung sind wir des Öfteren in lokale italienische Pizzeria's geschlendert, wo es vermutlich die besten Pizzen in ganz Indien gab.
Neben dem wohlverdienten Ausklang unserer bisherigen Reise musste ich aber auch noch viele Kleinigkeiten für meine weitere Tour organisieren. So habe ich zunächst versucht die Genehmigung für den Grenzübergang Indien - Myanmar zu beantragen, was mir jedoch abgelehnt wurde, da seit diesem Jahr neue Vorschriften gelten, welche nicht mit meinem Reisevorhaben vereinbar sind. Sofern man nun nämlich auf dem Landweg von Indien nach Myanmar einreisen möchte, ist man gezwungen das Land wieder über den gleichen Grenzübergang zu verlassen. Stattdessen möchte ich nun bis Kathmandu/ Nepal reisen und von dort mit dem Flugzeug über Rangun nach Myanmar einreisen. Das benötigte eVisum habe ich kürzlich online beantragt und den Approval Letter bereits erhalten.
Von Christina, einer Bekannten aus Goa, habe ich nun auch meinen Abzieher für das Kettenritzel meiner Rohloff-Nabenschaltung erhalten und zudem das bestellte Solarpanel, als Ersatz für meinen defekten Nabendynamo. Gut ausgestattet kann ich somit meine nächste Etappe Richtung Nepal starten.

Am 13. Dezember 2017 und nach gut vier Monaten gemeinsamer Reise muss sich dann leider Nico verabschieden,  da sein Flug zurück nach Berlin ansteht und er ab Januar wieder den Fahrradsattel gegen den Bürostuhl tauscht. Für mich geht es dann am folgenden Morgen nach gemeinsamen Frühstück mit Christina und ihrer Familie ostwärts Richtung Maharashtra. Den Bundesstaat Goa verlasse ich bereits nach 30 Kilometer und folge dem State Highway 130, welcher am Tilari Reservoir vorbeiführt. Die anfänglichen Kilometer radel ich noch entspannt durch ein grünes schattiges Tal und ahne noch nicht was mir am Nachmittag bevorsteht.  Irgendwie finde ich es merkwürdig, dass auf der Straße nur wenige Autos unterwegs sind. Nach weiteren 30 Kilometer kommt mir ein Fahrer entgegen und erklärt mir, dass ich die Straße unmöglich passieren kann, da sie aufgrund von Bauarbeiten gesperrt sei. Ich bin dankbar für den guten Rat, möchte jedoch auf gar keinen Fall umkehren, weil ich sonst einen Umweg von mindestens 50 Kilometern radeln müsste. Nach weiteren fünf Kilometern ist dann tatsächlich die Straße gesperrt. Der aufgeschüttete Erdwall und die Baumstämme hindern mich jedoch nicht am weiterkommen. Viel schmerzlicher ist nun aber der steile Anstieg und die teils unbefestigte Straße. Nur noch schiebend komme ich vorwärts und da mir langsam das Wasser knapp wird bin ich erleichtert als nach der gefühlt hundertsten Serpentine endlich eine Trinkwasserquelle kommt. Auf meinem weiteren Aufstieg treffe ich auch immer wieder Bauarbeiter, welche offensichtlich aus den umliegenden Dörfern stammen. Jung und alt, Frauen und Kinder packen mit an und zerschlagen Steine, tragen flüssigen Teer und schaufeln Schotter für den Straßenbau. Immer wieder komme ich mit den Menschen dabei kurz ins Gespräch, wobei man mir Fragen zur Radreise und Ausrüstung stellt. Einmal fragen mich die Bauarbeiter sogar nach Wasser, was ich natürlich gerne teile, da die Straßenarbeit in der Nachmittagssonne sehr mühsam sein muss. Nach fast zwei Stunden erreiche ich dann abgekämpft die Hochlandebene und habe seit dem Morgen in Povorim gute 700 Höhenmeter zurückgelegt, wodurch ich abends ordentlich fertig bin. Zu meiner Entschädigung werde ich dafür mit einem grandiosen Blick über das zurückliegende Tal belohnt und finde einen wunderschönen Zeltplatz an einem abgelegenen Seeufer.

Mein neues Solarpanel für die Stromversorgung. 

Nico beim Verpacken seines Fahrrads für den Rückflug. 

Beim Mittagessen mache ich Bekanntschaft mit einigen indischen Schülern. 

Der State Highway 130 ist wegen Bauarbeiten gesperrt. 

Aber mit dem Fahrrad kann ich die Baustelle problemlos passieren. 

Am Abend habe ich dann von der Hochebene einen grandiosen Blick über das zurückliegende Tal. 

Kurz vor Sonnenuntergang finde ich diesen abgelegenen Zeltplatz. 

Abschiedsfoto mit Nico und Christine in Povorim. 

Am vorletzten Tag treffen wir noch Silvia aus der Schweiz, welche ebenfalls mit  dem Fahrrad unterwegs ist. 

Montag, 4. Dezember 2017

Global #47: Halbzeit einer Reise - Ankunft in Goa

Die letzten 300 Kilometer bis Goa radeln wir durch dichte Regenwälder auf teils entlegenen Straßen. Es geht nochmal beachtlich auf und ab, sodass wir einige Höhenmeter zurücklegen. In den Morgenstunden genießen wir die grandiosen Sonnenaufgänge sowie den kühlen erfrischenden Nebel. Entlang der Straße finden wir des Öfteren einen Imbiss und gönnen uns fortan jeden Morgen zum Frühstück ein leckeres Omelett und einen heißen Tee. Dass wir mittlerweile wieder weit im Süden sind merken wir nicht zuletzt an der Hitze, welche besonders nachmittags einsetzt und sich am besten mit Eis, frisch gepresstem Zuckerrohrsaft und Melonen ertragen lässt.
Am letzten Morgen vor unserer Ankunft in Goa endet unsere Straße abrupt vor einem Stausee. Nach Auskunft der Einheimischen wurde dieser erst vor zwei Jahren angelegt und ist deshalb noch nicht auf unserer Karte eingezeichnet. Glücklicherweise müssen wir keinen großen Umweg radeln und können stattdessen dem National Highway 66 Richtung der Stadt Talera folgen.

Das wir bald in Goa ankommen merken wir jetzt auch an den Menschen selbst. Von überall ruft man uns zur Begrüßung "Good Journey" und "Goa Goa" zu und oft ergeben sich während der Fahrt kleinere Gespräche mit TukTuk- und Motorradfahrern.
Und dann ist es soweit. Am zweiten Dezember 2017 kommen wir am frühen Morgen in unserem Zielort Arambol an. Weil Nico schon einmal hier war kennt er sich gut aus, sodass wir eine prima Unterkunft abseits der Straße finden. Die nächsten fünf Tage verweilen wir in dem gemütlichen Örtchen und wollen anschließend etwas weiter nach Süden radeln.

In Arambol erledigen wir auch kleinere organisatorische Sachen. Ich muss z.B. meine Fahrradkette nachspannen, die Bremsbeläge wechseln und ein weiteres Loch im Reifen flicken. Außerdem lasse ich die Gurte an meinen Packtaschen umnähen, damit diese sich nicht wieder in die Speichen wickeln. Zu meiner Erleichterung klappt es auch wieder mit der Bargeldversorgung, ohne dass meine Kreditkarte gesperrt wird (siehe hierzu Blogbeitrag #40).

Ansonsten bummeln wir am Strand entlang oder lassen es uns in einem der unzähligen Cafés bzw. auf unserer Veranda gut gehen. Eine halbe Stunde Fußweg nördlich von unserer Unterkunft gelangen wir über einen kleinen Trampelpfad zum "Banyan Tree", welcher auch als Kifferbaum bekannt ist. Unter diesem verzweigten schattigen Plätzchen sitzt ein indischer Guru und begrüßt uns freundlich nickend dem spirituellen Kreis beizusitzen. Mit seinen Anhängern, meist russische Touristen, wird ganztags meditiert und gesungen, wobei zwischendurch immer wieder die Marihuana-Pfeife kreist. Mittlerweile ist die Bekanntheit so groß, dass ständig Leute vorbeikommen und nicht selten auch kleine Gastgeschenke in Form von Essen, Alkohol oder Kleidung mitbringen.

Das letzte halbe Jahr war das Radfahren quasi mein Beruf und folglich betrachte ich die vor mir liegende Auszeit in Goa als meinen wohlverdienten Jahresurlaub, ehe Mitte Dezember 2017 mein zweiter Reiseabschnitt um die Welt beginnt ;)

Link zur Route Teil II: Südostasien - USA - Europa


Morgendlicher Sonnenaufgang im Regenwald 

Der National Highway verbindet Mumbai mit Goa.

Abrupt endet unsere Route vor einem Stausee. 

Hinter der nächsten Kurve kommt bereits das Meer.

Unzählige Fischerboote warten am Strand auf die nächste Fahrt. 

Touri-Straße in Arambol. 

Der Banyan Tree nördlich von Arambol. 

Selfie unserer Ankunft im Bundesstaat Goa. 

Abends sorgen die Hari Krishna am Strand für Stimmung.